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Buchtipp: Pop-up Propaganda

Das Buch habe ich ab Anfang März in Abschnitten gelesen und war manchmal unschlüssig, ob ich es wirklich zu Ende lesen soll. Denn die Autorin scheint ihr gesamtes Wissen unbedingt in dieses Buch packen zu wollen und daher kommt es meiner Ansicht nach zu vielen Redundanzen, die auf Dauer ermüden können. Das Buch ist zwar einfach geschrieben und man kann es auch ohne große Vorkenntnisse zu Russland und seiner Geschichte lesen, aber ein Lektorat, mit Mut zum Streichen und Straffen der Kapitel, hätte ihm gutgetan.
Irina Rastorgueva berichtet über alle Bereiche des russischen Lebens und wie dort seit vielen Jahren bewusst und gezielt Gehirnwäsche betrieben wird. Sie beschreibt die Praxis der Gerichtsbarkeit, in denen Willkür von Putins Gnaden herrscht, die Praxis der Polizist*innen, die ihr Plansoll erfüllen müssen, oder auch die Unterstützung des Systems durch die russisch-orthodoxe Kirche. Sie berichtet von manipulierten Wahlen in den Teilrepubliken und zeigt den Konflikt zwischen dem Anspruch eines russischen Imperiums versus des Unabhängigkeitswillens der Teilrepubliken. Besonders wenn sie über diese Teilrepubliken schreibt, hätte ich mir eine Karte gewünscht, um mich in dem riesigen Land zurechtzufinden.
Vieles von dem was sie schreibt klingt unglaublich, klingt verrückt und dennoch ist es wahr. Erschreckend, wie bereits im Kindergarten begonnen wird, eine veränderte russische Geschichte zu lehren. In den Schulen müssen die Lehrer trotz besseren Wissens eine andere Geschichte, so wie vom Ministerium vorgegeben, unterrichten und durch diese Geschichtsklitterung wird eine ganze Generation manipuliert.

Die Autorin sieht leider sehr pessimistisch in die Zukunft und ist der Meinung, dass kaum demokratische Veränderungen in Russland mehr möglich sind. Und wenn man ihr Buch gelesen hat, dann versteht man auch, warum das so ist. Durch die gezielte und jahrzehntelange Gehirnwäsche des gesamten russischen Volkes glauben wahrscheinlich immer mehr der Pop-up-Propaganda Putins.

Trotz meiner kritischen Anmerkungen finde ich, dass die Autorin zu Recht den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse bekommen hat. In der Mediathek des Deutschlandfunks findet sich eine hörenswerte Rezension zum Buch und wer nicht das ganze Buch lesen will, hat die Möglichkeit, die Autorin am 5. Juni im Buchhändlerkeller in Berlin und am 28. Juni beim Berliner Bücherfest zu hören und zu sehen.

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